Um den Sitz der neuzubauenden Strafanstalt haben sich im Jahre 1903 siebzehn Städte bzw. Märkte beworben. Die kgl. Staatsregierung hat diesbezüglich mehrere Ortsbesichtigungen vorgenommen. Mit Schreiben vom 24. Dezember des Jahres 1903 hat sich der Magistrat und das Gemeindekollegium der kgl. bayer. Stadt Aichach um den Sitz der neu zu erbauenden Strafanstalt ebenfalls beworben. Zu diesem Zwecke wurde der kgl. Staatsregierung angeboten, eine Fläche in der Größe von 30 - 40 Tagwerk kostenlos zur Verfügung zu stellen. Desweiteren wurde angeboten, ,,den zur Beleuchtung der Strafanstalt erforderlichen Strom, sowie das benötigte Wasser um billigen Preis aus den stadteigenen Werken zu liefern, ferner die Anstalt kostenlos an das städtische Kanalnetz anzuschließen". Die Stadt führte weiter aus, daß sie durch den Wegfall mehrerer Behörden (im Jahre 1872 die kgl. Baubehörde, 1879 das kgl. Bezirksgericht, Lostrennung des Amtsgerichtes Rain mit 37 Gemeinden vom Aichacher kgl. Bezirksamt und im Jahre 1888 die Verlegung des Sitzes des Bezirksfeldwebels) so hart betroffen und geschädigt wurde, daß sie es dieses Mal verdient habe, bei der Neuerrichtung von Strafanstalten in erster Linie berücksichtigt zu werden. Desweiteren war die Bürger- und Einwohnerschaft Aichachs bereit, ,,alle möglichen Opfer zu bringen und alles aufzubieten, um eine Strafanstalt zu erhalten". Diesen und den weiteren Ausführungen der kgl. bayer. Stadt Aichach konnte sich der Finanzausschuß der Hohen Kammer der Abgeordneten in München nicht verschließen. In der Sitzung der Hohen Kammer der Abgeordneten vom 17.06.1904 wurde die Errichtung einer "weiblichen" Gefangenenanstalt in Aichach einstimmig genehmigt. Die Stadt Aichach dankte mit dem Schreiben vom 22. Juli 1904 und versicherte: ,,die Bewohner Aichach's werden der gnädigen Zustimmung und gütigen Berücksichtigung der Hohen Landesvertretung stets Eingedenk sein".
In den Jahren 1905 bis 1908 wurde die Strafanstalt Aichach im südöstlichen Teil der Stadt Aichach an der Staatsstraße Aichach - München auf ebenem Gelände erbaut. Im Januar 1909 konnte die Anstalt in Betrieb genommen werden. Im Amtsblatt für das kgl. Bezirksamt und kgl. Amtsgericht Aichach (45. Jahrgang: 1909) wird die Überstellung der Gefangenen wie folgt geschildert: Das Eintreffen des ersten Transportes der für die kgl. Strafanstalt Aichach bestimmten weiblichen Strafgefangenen fand am Freitag, den 15. Januar abends 5.00 Uhr statt. Vom Bahnhof aus, woselbst sich eine große Anzahl Schaulustiger eingefunden hatte, wurden die Gefangenen 73 an der Zahl, unter starker Gendarmerieeskorte, zur neuen Strafanstalt übergeführt und dort sofort hinter Schloß und Riegel gebracht. Mit dem ersten Transport trafen auch mehrere Kranke, darunter eine Schwerkranke, ein, die in geschlossenen Wagen an ihren Bestimmungsort verbracht wurden. Mit Ausnahme des Sonntags kamen täglich größere Transporte hier an. Unter den Gefangenen, die teils Gefängnis- teils Zuchthausstrafen abzubüßen haben, war die Jugend und das Alter vertreten. Die aus Kaiserslautern, Wasserburg, Würzburg und Sulzbach eingetroffenen Büßerinnen trugen je nach der Anstalt verschiedene Kleidung, mehrere auch weiße Hauben. Wie die menschliche Natur verschieden ist, so maßen die einen der Gefangenen mit frechen Blicken die umherstehende Menschenmenge, während die anderen aus Scham sich nicht aufzublicken wagten oder weinten. In zartbesaiteten Gemütern erregte der Anblick einer solch großen Zahl gefangener Mitmenschen eine traurige Stimmung, und mancher besah sich das Schauspiel nur einmal. Die Justizvollzugsanstalt Aichach ist als Zellenstrafanstalt gebaut. Um eine Zentralhalle gruppieren sich kreuzförmig vier panoptische unterkellerte dreistöckige Zellenflügel an. Wie auf dem Bild (Seite 13) zu sehen ist, betritt man die Anstalt durch das einstöckige Torgebäude; überquert einen Vorhof und gelangt dann in das Verwaltungsgebäude. Ursprünglich war die Strafanstalt nur für katholische Gefangene gedacht. Seit dem 29.07.1909 wurde die Anstalt auch mit evangelischen Gefangenen belegt, nachdem ein evangelisches Gotteshaus dem Gebäudekomplex angebaut wurde. Die Gesamtkosten für die Errichtung der Anstalt betrugen 2,2 Millionen Mark. Das Gesamtareal betrug 40 Tagwerk, davon wurden ursprünglich 20 Tagwerk überbaut. Im Jahre 1924 wurden zwei Gutsanwesen in Oberschneitbach mit ca. 70 Tagwerk Grund für die Anstalt erworben. Vom panoptischen Gebäudekomplex getrennt und mit dem Verwaltungsgebäude verbunden ist seitlich ein Zellenbau (Bau II) in Längsbauweise angegliedert. Bau II diente seinerzeit zur Unterbringung der Gefangenen mit Zuchthausstrafen. Zwischen den einzelnen Gebäuden befinden sich die Spazierhöfe. Die Gesamtanlage ist von einer 4,50 Meter hohen Mauer umgeben, die durch das Torgebäude und sechs Türmchen unterbrochen war. Um die Anstalt gruppieren sich sechs Dienstwohngebäude. Ein Teil der weiblichen Aufsichtsbeamten wohnte in Dienstzimmern der Bauten I und II. Insgesamt standen zur Verfügung: 400 Zellen mit 26 m3 Luftraum, 46 Zellen mit 32 m3 Luftraum, 20 Zellen mit 52 m3, 4 Schlafsäle - 93 m3 , 7 Schlafsäle - 62 m3 Luftraum, 1 Schlafsaal mit 271 m3 Luftraum, 2 Schlafsäle mit 286 m3 Luftraum und 1 Schlafsaal mit 50 m3 Luftraum im Gutshof Oberschneitbach. Außerdem waren 6 Arbeitssäle vorhanden. Die Zelleneinrichtung bestand im wesentlichen aus einem klappbaren Eisenbettgestell, das tagsüber an die Wand angeschlossen wurde, einem Klapptisch, einer Klappbank, einem Wandschränkchen, einem Waschbecken, einem Wasserkrug, einem Salzgefäß, Lese-, Schul - und religiösen Büchern. Jede Zelle hatte Dampfheizung, elektrisches Licht und ein Läutwerk. In einigen Einzelzellen sowie in den Gemeinschaftshafträumen war bereits Klosettspülung vorhanden. In den meisten Einzelzellen mußte die Notdurft noch auf Kübeln verrichtet werden. Im Untergeschoß des Bau 7 befand sich eine Badeanlage mit 4 Wannen und 6 Duschen. Im Bau II waren 2 Wannen und 3 Duschen vorhanden. Die Haustelefonanlage (Selbstwählsystem) umfaßte 28 Sprechstellen von denen fünf unmittelbar mit der Post verbunden waren. Die Anstalt verfügte über eine gut eingerichtete Krankenabteilung, die mit einem Labor, einer Zahnklinik, einem Entbindungsraum und Isolier- bzw. Beruhigungszellen ausgestattet war. Die Kirche ist mit zwei Schiffen erbaut, die im rechten Winkel zueinanderstehen. Sie bot 442 Gefangenen Platz, die in seinerzeit sogenannten Stalls (abgeschlossenen Sitzplätzen, die nur den Blick nach vorne ermöglichten) eingerichtet war. Der Altar ist im neugotischen Stil angefertigt worden. 1925 wurden die Stalls entfernt, so daß sich das Platzangebot etwas vergrößerte. Heute ist die Kirche der Ort in der Justizvollzugsanstalt Aichach, in dem zur gleichen Zeit alle Gefangenen Platz finden. Neben den Gottesdiensten beider Konfessionen werden hier auch Gemeinschaftsveranstaltungen wie Musikdarbietungen und Konzerte abgehalten. Den Lehrzwecken diente ein geräumiger, heller Schulsaal mit 96 Sitzplätzen. Bis zum 21.01.1925 waren auch im Schulsaal Stalls (36 Stück) eingerichtet. Durch den sich mehr durchsetzenden humanen Strafvollzug ist die kastenmäßige Trennung mit ihrer damit verbundenen Düsterkeit verschwunden. Ursprünglich war die Strafanstalt Aichach als die einzige Frauenanstalt in Bayern gedacht. Sie diente der Vollstreckung von Zuchthaus- und Gefängnisstrafen gegen Erwachsene und Jugendliche auch die Aufnahme von Festungs- bzw. Schutzhaftsträflingen war vorgesehen. Die Bauart der Anstalt ermöglichte die Trennung der Gefangenen nach Strafarten (vor allem Absonderung der Jugendlichen von den Erwachsenen). Nach Aufhebung des "weiblichen" Arbeitshauses St. Georgen - Bayreuth am 01.12.1932 kamen auch diese Insassen nach Aichach. In den Jahren 1942 bis 1944 kam es zu einer katastrophalen Überfüllung der Anstalt. Ein großer Teil der Insassen wurden in die Arbeitshäuser in Rebdorf bei Eichstätt eingeliefert. Die Vollzugsgeschäfte wurden weiterhin von Aichach aus geleitet. Durch die Änderung der Zuständigkeit von den Ländern auf das Reich im Jahre 1936 wurden aus allen deutschen Oberlandesgerichtsbezirken Sträflinge nach Aichach eingeliefert. Jetzt hatte die Anstalt auch Sicherungsverwahrte aufzunehmen. Den höchsten Gefangenenstand erreichte Aichach im Jahre 1945. Es waren Strafen an insgesamt 3292 Gefangenen zu vollstrecken. Besonders schwierig wurde die Lage als noch im April 1945 vom Zuchthaus Kaisheim ca. .600 männliche Zuchthausgefangene eingeliefert wurden. Heute liegt der durchschnittliche Gefangenenstand bei etwa 500 Gefangenen. Seit der Schließung der Frauenstrafanstalt Rothenfeld im Jahre 1966 wurden alle dort untergebrachten erwachsenen Gefangenen im Erstvollzug nach Aichach verlegt. Anfang 1968 wurden auch die dort untergebrachten weiblichen Jugendstrafgefangenen nach hier verbracht. Das weibliche Personal dieser Anstalt wurde voll übernommen. Im Jahre 1975 wurde im Bau II eine Männerabteilung eingerichtet. An den männlichen Gefangenen wurden Freiheitsstrafen bis zu 9 Monaten im Erstvollzug vollstreckt.